Stallstrukturierung und Beschäftigungsmaterial

Versuche der Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Seit dem 01.Oktober 2013 hat sich das Erscheinungsbild in deutschen Putenställen verändert. In den „Bundeseinheitlichen Eckwerten für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen“ haben sich die deutschen Putenmäster bestimmte Ziele gesetzt. Unter anderem zählen hierzu die Strukturierung des Stalles und das Einbringen von Beschäftigungsmaterial. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat zu diesen Thematiken seit dem letzten Jahr Versuche in Praxisbetrieben durchgeführt.
Es gibt viele Veröffentlichungen und Forschungsarbeiten in den Bereichen Strukturierung und Beschäftigung. Ein weiterer Grund für die Praxistauglichkeit war der Niedersächsische Tierschutzplan. Hier ist ebenfalls explizit festgelegt, dass Rückzugsmöglichkeiten und Stallstrukturierung ein von der Politik gewollter Punkt sind. In allen Ställen gibt es bereits unterschiedliche Materialien, die eingesetzt werden.

Was wird gefordert?
Den Puten ist ständig geeignetes Beschäftigungsmaterial anzubieten. Dies kann z.B. neu eingebrachtes Einstreumaterial sein. Auch durchgearbeitete Einstreu zählt dazu. Weiterhin soll mindestens ein weiteres veränderbares Material ständig angeboten werden. Sobald Federpicken oder Kannibalismus auftritt, sind weitere zusätzliche Beschäftigungsmaterialien anzubieten.
Bei der Strukturierung des Stalles soll den Tieren Gelegenheit gegeben werden den Stall zu erkunden oder sich bei Stress oder Ruhebedarf zurückziehen zu können. Hier sind erhöhte Ebenen, Unterschlupfmöglichkeiten oder ein Außenklimabereich Möglichkeiten. Letzteres ist auf Grund eines neu einzuleitenden Genehmigungsverfahrens und dem damit einhergehenden Auflagen meistens unmöglich zu realisieren.

Wichtig für die Landwirte ist:

  • Die Puten dürfen keinen körperlichen Schaden nehmen
  • Das Einstreumanagement darf nicht behindert werden
  • Die täglichen Tierkontrollen müssen weiterhin reibungslos ablaufen
  • Die Kosten dürfen nicht explodieren
  • Die eingesetzten Materialien sollen schnell zur Verfügung stehen
  • Die eingesetzten Materialien sollen kurzfristig einsetzbar sein
  • Das Futtermittelrecht muss beachtet werden

 

Stallvorbereitung
Es wurden jeweils 2 baugleiche Ställe ausgewählt. Zwei geschlossene Aufzuchtställe mit Unterdrucklüftung und zwei Hahnenoffenställe mit Schwerkraftlüftung. Die Größe der Ställe betrug jeweils 1720 m² Nutzfläche. Im Aufzucht- und Hennenstall stehen den Tieren 3 Futterlinien und 4 Tränkelinien zur Verfügung. Im Hahnenstall jeweils zwei Futter- und Tränkelinien.
Eingestreut wurde mit 5,1 kg Hobelspäne / m². Darauf wurden Strohballen zwischen Futter- und Tränkelinie verteilt. Somit wurde eine Fläche von 0,5 % der für die Putenküken nutzbaren Fläche abgedeckt. Die Initiative Tierwohl fordert pro 400m² ein Beschäftigungsmaterial.
In den Mastställen (Hahn- und Henne) waren zur Umstallung am 32. Lebenstag bereits jeweils 5 Quaderballen/ Stall eingebracht worden. Auf Grund der Anordnung von Tränke- und Wasserlinien wurden sie mittig in den Stall gesetzt. Es wurde 0,8 % der nutzbaren Stallfläche mit Strohballen abgedeckt. In einem weiteren Betrieb wurden jeweils 4 Ballen auf beiden Längsseiten des Stalles verteilt. Vom Einstreumanagement und dem Platz zwischen Wand und Tränkelinie bot sich dies an. Die Platzierung der Ballen ist immer von der Stallbreite und der Anbringung der Inneneinrichtung abhängig und somit betriebsindividuell.
Die Kleinballen waren locker gepresst, die Quaderballen waren mit hohem Druck gepresst worden. Dies wirkte sich auf die Haltbarkeit aus.

Ergebnisse in der Aufzuchtphase
Kurz nach der Einstallung fingen die Küken an, Halme aus den Ballen zu ziehen. Am 4. Tag nach der Einstallung hatten die ersten Hennen den Weg nach oben gefunden. Bis zum 8. Lebenstag waren die Ballen von den Tieren immerhin zu 30 -50% belegt. Einen kleinen Unterschied zwischen Hahn und Henne gab es: die Hähne waren etwas langsamer in der Annahme der oberen Etagen. Das ruhigere Verhalten setzte sich die gesamte Aufzucht- und Mastphase fort. Die Küken nutzten die erhöhte Ebene zum Ruhen, als auch zur Erkundung. Die abstehenden Halme dienten der Beschäftigung. Sandbadeverhalten konnte in der lockeren Einstreu und in extra aufgeschnittenen Ballen sehr gut beobachtet werden. Allerdings mussten die Ballen alle 1,5 Wochen erneuert werden. Es hatten nicht alle Tiere das Bedürfnis die erhöhten Ebenen aufzusuchen. Viele gingen einfach weiter. Dieses Verhalten ließ sich auch während des weiteren Mastdurchganges beobachten.
Als nachteilig hat sich erwiesen, dass die Tiere sich an den Ballen drückten. Somit hatten wir einen Mehrverlust von 0,3% in den ersten 12 Tagen der Aufzucht zu verzeichnen. Mäster, die ebenfalls Strohballen aufgestellt hatten, berichteten ähnliches. Der Verlust war bei Hahn und Henne gleich. Als Ursache lässt sich weder eine zu hohe oder zu niedrige Stallinnentemperatur, noch Zugluft heranziehen. Dies wurde vom Mäster sehr genau kontrolliert. Die CO²-Werte pendelten sich immer im Bereich von 1440 ppm während der Aufzuchtphase ein.
Bei den laufenden Kontrollen wurden immer die Strohballen angehoben, um die Population des glänzendschwarzen Getreideschimmelkäfer zu kontrollieren. Hier wurde nichts gefunden. In anderen Betrieben könnte dies aber zu einem Problem werden. Ein weiteres Problem kann die Belastung der Ballen mit Aspergillen sein. Klarheit bekommt man hier nur durch eine Untersuchung des Strohs.


3 Stunden nach der Einstallung

 

Ergebnisse der Mastphase
Die Puten haben die erhöhten Sitzebenen sofort nach der Umstallung angenommen. Die Ballen waren während der gesamten Zeit im Hahnen- als auch im Hennenstall dauerhaft belegt. Es gingen sowohl die ranghöheren, als auch die rangniederen Tiere die erhöhten Flächen. Der Aufstieg wurde mit zunehmenden Gewicht schwieriger. Teilweise glichen die Tiere dies durch eine Anlaufphasen aus. Zum Ende der Mastphasen gab es schon Unterschiede in der Bearbeitung der Quaderballen. Die Hennen waren sehr viel intensiver dabei den Ballen zu zerlegen, als die Hähne. Es gab keine Verletzungen in Form von Flügelbrüchen oder Beinbrüchen. Die Puten haben die erhöhten Ebenen bis zum Ausstalltag angenommen. Die Oberfläche der Ballen war mit einer dicken trockenen Kotschicht belegt. Nachdem die Schnüre der Ballen im ersten Durchgang, zwei Wochen vor Ausstallung, gelöst wurden, blieb die Form des Ballen erhalten. Im zweiten Durchgang wurden die Schnüre 4 Wochen vorher gelöst. Auch hier musste manuell nachgeholfen werden, um die Ballen aufzulösen. Der Grund hierfür war die feste Pressung der Ballen. Der Vorteil: die Ballen blieben lange in Form. In einem anderen Versuch waren die Ballen bereits nach Zweidrittel der Hahnenmast aufgelöst, da sie zu locker gepresst waren. Hierdurch entsteht erhöhter Arbeitszeit- und Kostenaufwand, da eine zweite Partie in den Stall gesetzt wurde.


Hähne in der 5. Lebenswoche

 

Weiteres Beschäftigungsmaterial
Im Laufe der beiden Durchgänge wurden zusätzlich verschiedene Beschäftigungsmaterialien in die Ställe eingebracht. Hier wurden andere Materialien gewählt, als in der Literatur zu finden sind.
Folgende Materialien wurden verwendet:

  • Beißblumen für Schweine
  • Beißringe für Schweine
  • Edelstahlketten
  • Farbige Picksteine mit Traubenzucker

 

Die Materialien wurden an den Futterlinien angebracht. Die Tiere haben sie akzeptiert und immer mal wieder an ihnen gespielt. An der Beißblume kann man die Abnutzung bereits nach einigen Wochen erkennen. Die Ketten und Beißblumen wurden zeitweise stark in Anspruch genommen. Die Geräusche der Ketten lockten zwar in der ersten kurzen Zeit Tiere an, das Interesse nahm jedoch nach kürzester Zeit ab. Deshalb sollten diese und alle anderen Dinge immer kurzfristig im Stall installiert werden und zwar wenn akutes Pickgeschehen auftritt. Dauerhaftes Aufhängen bringt hier gar nichts, da ein Gewöhnungseffekt eintritt. Wie bereits schon in anderen Versuchen beschrieben, eignen sich die „Spielsachen“ nur bedingt und sind nur kurzfristig einsetzbar. Vorteil der hier getesteten Materialien: Sie konnten leicht angebracht, entfernt und gereinigt werden. Die Kosten belaufen sich auf Ø 10€ / Stück. Im Stall wurden an jeder Futterbahn 5 Stück aufgehängt.
Die Picksteine, welche je nach Wunsch farbig, salzig, süß oder mit phytogenen Zusatzstoffen bestellt werden können, sind an der Leitung für die Heizung angebracht worden. Somit konnten sie bei Bedarf herab gelassen werden.

 

Fazit:

  • Puten nehmen in jedem Alter erhöhte Sitzebenen und Beschäftigungsmaterial an
  • Beschäftigungsmaterial nur bei erhöhtem Pickgeschehen anbieten. Dann wieder entfernen - wird schnell uninteressant
  • Keine Verletzungen der Tiere auf erhöhten Sitzebenen
  • Erhöhte Ebenen frühestens ab der 3. Lebenswoche anbieten; es entstehen ansonsten Verluste die nicht sein dürfen
  • Erhöhte Sitzebenen unbedingt bei Hitze entfernen, um erhöhte Verluste durch Drücken der Tiere zu vermeiden.
  • Quaderballen sind je nach Pressdruck unterschiedlich haltbar
  • Anordnung der Ballen auf die Inneneinrichtung des Stalles abstimmen
  • Das Stallklima wird nicht zusätzlich belastet, feuchte Stellen rund um die Ballen waren nicht vorhanden
  • Quaderballen können bereits 4 Wochen vor Ausstallung geöffnet werden
  • Stroh hat den Vorteil, dass es beim Ausmisten ohne zusätzlichen Aufwand entfernt werden kann
  • Keine schlechten Strohqualitäten in den Stall einbringen. Notfalls auf Aspergillen untersuchen lassen
  • Zeit- und Kostenaufwand bei Strohballen überschaubar
  • Mit Strohballen werden die Anforderungen der Möglichkeit des Rückzuges,
    der erhöhten Sitzebene und des Beschäftigungsmaterials erfüllt

Weitere Beschäftigungsmaterialien in Form von Absperrketten (rot-weiß), PET-Flaschen usw. werden teilweise sehr gut von den Puten angenommen. Bei der Initiative Tierwohl wird ebenfalls auf Beschäftigung Wert gelegt. Hier wird auf ein sich verbrauchendes Material, wie zum Beispiel Stroh/Heu in Raufen/Körben/Ballen bzw. andere Einstreumaterialien (z. B. Strohgranulat/Hobelspäne in Ballen) oder andere bepickbare Gegenstände (z. B. Picksteine) Wert gelegt.
Die Beschäftigungsmaterialien müssen so beschaffen und angebracht sein, dass für die Tiere hierdurch kein erhöhtes Verletzungsrisiko ausgeht.

Beim Auftreten von Verhaltensabweichungen (z. B. Federpicken und Kannibalismus) sind weitere, über das übliche zusätzliche Beschäftigungsmaterial hinausgehende Beschäftigungsmaterialien anzubieten. Diese sind zu jeder Zeit auf dem Betrieb vorzuhalten und dürfen mit den bereits im Stall befindlichen Beschäftigungsmaterialien nicht identisch sein.

Bei Hitzestress sollte allerdings genauestens darauf geachtet werden, dass die Puten sich nicht an den Sprungtischen, Klappen oder andere erhöhte Sitzebenen drücken. Dann müssen diese aus dem Stall entfernt werden, um Verluste durch Erdrücken zu vermeiden. Sofort nach Wetteränderung sind diese wieder in den Stall zu bringen.

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten der Beschäftigung von Puten. Jeder Tierhalter sollte für sich die besten Möglichkeiten auswählen und genau schauen, was von den Tieren am besten angenommen wird. Beschäftigungsmaterial und Rückzugsmöglichkeiten alleine verhindern aber keine Rangeleien im Stall. Hier ist das Auge des Mästers gefragt.

Silke Schierhold,
Landwirtschaftskammer Niedersachsen