Kokzidiose

Die Kokzidien-Infektion ist durch die massive Zerstörung der Darmschleimhaut die bedeutsamste parasitäre Erkrankung in der Putenhaltung- um nicht zu sagen die wirtschaftlich bedeutsamste parasitäre Krankheit des Geflügels. Kokzidien sind weltweit verbreitet und werden in ca. 80-90 % aller Aufzuchten nachgewiesen. Obwohl eine Infektion mit Kokzidien bei Puten jeden Alters stattfinden kann, hängen die Auswirkungen sehr stark vom Alter der Tiere ab. So nimmt das Risiko einer klinischen Erkrankung im Lebensalter zwischen 3-6 Wochen zu. Es kommt hauptsächlich zu Problemen bei Jungputen unter 8 Wochen (steht im Zusammenhang mit dem Vermehrungszyklus der Kokzidien und einer sich im folgenden Alter entwickelnden schützenden Immunität – siehe unten).

Erreger
Kokzidien sind streng wirtsspezifisch. Das heißt, jede Nutzgeflügelart hat ein eigenes Spektrum an Kokzidienarten.
Diese weisen eine hohe Gewebsspezifität und Unterschiede in der Pathogenität (krankmachenden Eigenschaft) auf.
Die Erreger der Kokzidiose sind einzellige Parasiten der Gattung Eimeria. Bei der Pute sind 7 Kokzidienarten bekannt, die sich im Dünn-, Blind-, und Enddarm vermehren. Zu schweren Schädigungen der Schleimhaut und somit krankmachend sind aber nur E. meleagrimitis als Dünndarm- und E. adenoides als Dickdarmbewohner. Diese Arten vermehren sich in den tieferen Darmwandschichten und führen dadurch zu einer Ablösung der Schleimhaut mit Verletzungen von Blutgefäßen. Andere Spezies, die bevorzugt die Darmzotten besiedeln, verursachen dagegen eher katarrhalische Enteritiden.

Ihr Entwicklungszyklus erfolgt direkt, ohne weitere Zwischenwirte. Während ihrer Entwicklung unterscheidet man eine innere (endogene) und eine äußere (exogene) Phase.

Der Entwicklungszyklus beginnt mit der Aufnahme infektionstüchtiger Kokzdienoozysten durch die Pute. Nach der Magenpassage finden mehrere ungeschlechtliche Teilungen und ein geschlechtlicher Zyklus in der Darmschleimhaut statt. Diese innere Entwicklungsphase dauert je nach Kokzidienart zwischen 4 bis 7 Tage und endet mit der Ausscheidung großer Mengen von NOCH NICHT infektionsfähigen Oozysten im Kot (Dauerstadien). Es bedarf einer Weiterentwicklung außerhalb der Pute – der exogenen Entwicklungsphase. Unter geeigneten Bedingungen wie:

  • ausreichende Temperatur (25 bis 30 °C)
  • optimaler Feuchtigkeitsgehalt
  • genügend Sauerstoffzufuhr

reifen die ausgeschiedenen Oozysten während der exogenen Phase zu infektionsfähigen Oozysten. Diese Phase dauert bei günstigen Bedingungen ca. 48 Stunden.
Diese Oozysten sind außerordentlich widerstandsfähig (sie besitzen eine zweischichtige Wand) gegenüber äußeren Einflüssen, so dass sie mehrere Monate infektionsfähig bleiben (siehe Desinfektion). Gegenüber Trockenheit und direkter Sonneneinstrahlung sind sie sehr empfindlich. Temperaturen zwischen über 56 °C und unter -15°C töten Kokzidienoozysten innerhalb kurzer Zeit ab.

 

Verbreitung, Übertragung, Infektion
Die Verbreitung und somit Einschleppung von Kokzidienoozysten erfolgt durch alle möglichen belebten und unbelebten Vektoren. Als passiver Vektor kann der Mensch ebenfalls zur Verbreitung bzw. Verschleppung der Parasiten in einen Stall beitragen. Gleiches gilt für Schadnager, Käfer und Fliegen. Eine weitere Infektionsquelle sind alle kontaminierten Stalleinrichtungen, Gerätschaften usw…
Hauptbedeutung für die Infektion neu eingestallter Herden haben Oozysten, welche die Reinigung und Desinfektion nach Ausstallung der letzten Herde unbeschadet überstanden haben und die Initialdosis für den nächsten Durchgang bilden. Junge Puten haben noch keinen erworbenen Schutz durch Immunität und sind daher besonders anfällig/gefährdet. Durch die Entwicklung einer schützenden Immunität ist die Kokzidieninfektion im Normalfall sozusagen selbstlimitierend. Diese Immunität bildet sich jedoch erst nach drei bis vier Infektionszyklen und geht bei fehlendem Kontakt binnen weniger Wochen wieder verloren.
Die manigfaltigen und in jedem Durchgang variierenden Folgen einer Infektion resultieren aus den Wechselwirkungen zwischen Erregereigenschaften, der Anfälligkeit der Pute und dem Betriebsmanagement. Dabei kommt den Haltungsbedingungen große Bedeutung zu, weil Reinfektionen, überwiegend vom Kot ausgehen.
Die Übertragung und Infektion erfolgt ausschließlich über die orale (über den Schnabel) Aufnahme von infektionsfähigen Oozysten.

 

Klinisches Erscheinungsbild, Krankheitsverlauf, Diagnose
In der Herde verläuft die Erstinfektion in der Regel symptomlos, wenn die Infektionsdosis gering war. Mit dem zweiten und dritten Vermehrungszyklus der Kokzidien (Lebensalter der Puten ca. 3 bis 6 Wochen) nimmt das Risiko einer klinischen Erkrankung zu, was in der Herde mit unausgeglichenem Wachstum, schlechterer Futterverwertung, Leistungsdepression und erhöhter Ausfälle einhergehen kann.

 

Der Ausbruch einer Kokzidiose kündigt sich häufig durch ein lautes Klagen der Herde an.
Am Einzeltier sind typischerweise Teilnahmslosigkeit, allgemeine Apathie, ungepflegtes, gesträubtes Gefieder, erhöhtes Wärmebedürfnis (Gruppenbildung, Drängen unter die Strahler) festzustellen. In schwereren Fällen sieht man die schläfrig wirkenden Tiere mit geschlossenen Augen, starker Aufbiegung des Rückens, Hängenlassen der Flügel, eingezogener, gesenkter Kopf, Verschmutzungen im Kloakenbereich.

 

Dies kann bis zur Futter- und Wasserverweigerung und somit Austrocknung und Verzwergung führen. Der Kot ist dünnflüssig, teilweise schaumig mit Schleimhautbeimengungen, weist verschiedene Farbvariationen auf und ist gelegentlich mit Blutspuren durchsetzt.
Darmkokzidiosen können eine Infektion mit Clostridieum perfringens (vor allem in den ersten Wochen) begünstigen.

 

Die Diagnose erfolgt im Zusammenhang mit klinischen Erscheinungen über den Nachweis der Kokzdienoozysten von Abstrichpräparten der Darmschleimhaut oder direkt aus der Kotprobe. Die Interpretation des alleinigen Nachweises von Kokzidienooysten ist schwierig, wenn keine Kenntnisse über die Herde und den Betrieb hinsichtlich des Vorkommens von Kokzdieninfektionen vorliegen.
Diagnostisch wertvoll ist die Entnahme nicht auf Veränderungen hin selektierter Kot- oder Einstreuproben (im kritischen Lebensalter der Tiere). Oft können Kokzidieninfektionen dadurch vor den ersten klinischen Anzeichen labordiagnostisch erkannt und sofort gezielt behandelt werden

 

Ähnlichkeiten, Verwechslungen mit anderen Krankheiten
Sämtliche Darmentzündungen, die ähnliche Veränderungen hervorrufen können, sind auszuschließen, unter anderem:

  • Hämorrhagische Enteritis
  • Nekrotisierende Darmentzündung
  • Virusbedingte Darmerkankungen

aber auch immer wieder Infektionen mit E. coli oder Probleme aufgrund von Magenverstopfungen (Strohfressen).
Oft sind in der Praxis auch Mischinfektionen zu finden.

 

Behandlung
Eine Kokzidiose kann mit Sulfonamiden, besser Kombinationen von Sulfonamiden, Toltrazuril oder Amprolium-Präparaten über das Trinkwasser behandelt werden. Bei der Auswahl hat der Tierarzt einige Punkte zu beachten unter anderem der gleichzeitige Einsatz von Kokzidiostatika, das Alter der Tiere und den Schweregrad der Erkrankung.
Der Zeitpunkt der Behandlung ist dabei sehr wichtig. Eine milde Durchseuchung der Herde ist durchaus erwünscht und wird durch eine zu frühe Behandlung verhindert. Eine zu späte Behandlung führt zu schweren Darmschäden mit der Folge des „Auseinanderwachsens“ der Herde. Die Gabe von Toltrazuril unterbricht den Immunisierungsprozess nicht. Der Einsatz von Multivitaminpräparate während bzw. zwischen den Behandlungen hat sich als therapieflankierende Maßnahme bewährt.
Puten unter 4 Wochen sind besonders geschmacksempfindlich. Die Wasseraufnahme ist bei Sulfonamidgaben hier besonders, jedoch auch bei älteren Tieren regelmäßig zu kontrollieren. Bei Verdacht einer reduzierten Wasseraufnahme ist die Behandlung sofort abzusetzen und klares Wasser zu geben.
Möglicherweise muss eine Behandlung gleichzeitig auftretender Erkrankungen berücksichtigt werden.

 

Bekämpfung und Prophylaxe
Maßnahmen haben das Ziel, die Kokzidienoozysten soweit zu reduzieren oder in ihrer Entwicklung zu hemmen, dass keine wirtschaftlichen Schäden entstehen, die Pute aber durch mehrmalige Aufnahme kleiner Infektionsdosen eine Immunität erwirbt.
Grundsätzlich ist ein optimales Betriebshygienemanagement unbedingt Voraussetzung für eine wirkungsvolle Bekämpfung der Kokzidiose. Die hygienischen Maßnahmen umfassen die Reinigung und Desinfektion der Ställe und Stalleinrichtungen mit einem gegen Kokzidienoozysten wirksamen Mittel vor jeder Stallbelegung, um den Infektionsdruck (die Initialdosis) durch Verringerung der Anzahl infektionsfähiger Oozysten zu vermindern. Handelsübliche Desinfektionsmittel, die gegen Dauerformen von Endoparasiten wirken (sprich auch gegen Kokzdienoozysten) sind in der Desinfektionsmittelliste der DVG aufgeführt.
Da die Oozysten sehr schwer abzutöten sind, ist bereits die Sprühreinigung mit dem Hochdruckreiniger mit VIEL Wasser eine gute Möglichkeit, so viel Oozysten wie möglich aus dem Stall herauszuspülen

 

 

Eine weitere hocheffiziente und umweltfreundliche Methode ist das Abflammen des Stallbodens. Die hohen Temperaturen zerstören die Oozysten. Weitere Einrichtungsgegenstände sind allerdings mit den genannten Desinfektionsmitteln zu behandeln.

Besonderes Augenmerk muss auf die Trockenheit der Einstreu gelegt werden. Vor allem die im Bereich der Tränken auftretenden feuchten Stellen sind stets zu beseitigen. Auch häufigeres Einstreuen führt zu einer Verdünnung der Oozystenkonzentration und somit zu einer Verringerung des Infektionsdrucks.
Neben diesen hygienischen Maßnahmen – also oberstes Ziel jeder wirkungsvollen Kokzidiosebekämpfung – stützt sich die Bekämpfung der Putenkokzidiose vor allem auf den Einsatz von Futterzusatzstoffen, den Kokzidiostatika.
Durch den monatelangen Einsatz eines Antikokzidiums (Kokzidiostatikas) muss mit Erregerresistenzen gerechnet werden, zumindest als schleichende Wirksamkeitsabnahme,. Selbst in Abwesenheit bleibt die Resistenz auch verwandter Substanzen teilweise für mehrere Jahre erhalten. Um diesen Resistenzen vorzubeugen, wird in den Propylaxe-Programmen zwischen verschiedenen Antikokzidia in unterschiedlichen Abständen gewechselt. Putenhalter können auf ihren Wunsch auch ein eigenes Kokzidiose-Prophylaxeprogramm durchführen.
Die stetige Reduktion der Zahl zugelassener Antikokzidia, die zudem nur wenigen Stoffklassen entstammen, macht eine planmäßige Kokzidioseprophylaxe zunehmend schwieriger.
Desweiteren ist beim Einsatz von Kokzidiostatika auf die richtige Dosierung, die Verträglichkeit mit Tierarzneimitteln und mögliche Unverträglichkeit für bestimmte Geflügelarten zu achten. So ist bei gleichzeitiger Gabe einiger Ionophoren und Tiamulin oder (versehentliches) Vorhandensein von Salinomycin im Putenfutter durch Unverträglichkeiten mit hohen Mortalitätsraten zu rechnen. Bei Verdacht einer Vergiftung durch einen für die Zieltierart nicht zugelassenen Futterzusatzstoff oder Überdosierung ist der sofortige Wechsel des Futters zwingend erforderlich. Bei fehlerhaften Kombinationen mit Arzneimitteln ist die Behandlung sofort zu beenden.
Eine weitere erfolgsversprechende Maßnahme ist eine vorbeugende Impfung, die jedoch zur Zeit für Puten in Deutschland nicht verfügbar ist.

 

Dr. Christina Popp
Dipl. ECPVS
Fachärztin für Geflügel
Bestandsbetreuung Wirtschaftsgeflügel
christinapopp@hotmail.com