Impfstrategien bei der Pute

Fragen an den Fachtierarzt für Geflügel

 

A)  Brüterei intern - Was passiert in der Brüterei?

Welche Impfungen können in der Brüterei durchgeführt werden?
Was sind die Vor- und Nachteile?
Es können grundsätzlich bestandsspezifische Totimpfstoffe (z.B. gegen ORT) oder auch ND-Lebendimpfstoffe (Vektorimpfstoff) injiziert werden. Diese beiden Impfstoffe können aber nicht so einfach kombiniert werden. Werden die Tiere in der Brüterei bestandsspezifisch geimpft, sollten sie mit ca. 5 Wochen ein weiteres Mal geimpft werden.

Per Spray:
Nach wie vor verfügbar ist TRT. Aktuell sind zwei Hersteller verfügbar. Typ A (Poulvac) sowie Typ B (Terivac) sind derzeit die Gängigen.

Gibt es noch weitere Hersteller?
Es gibt noch Nobilis TRT (Typ A), der für Puten zugelassen ist. Außerdem können ggf. durch den Tierarzt TRT-Impf-stoffe, die für das Huhn zugelassen sind, auf die Pute umgewidmet werden. Diese sind noch etwas stärker in der Wirkung, die Tiere müssen also gut vorgeimpft sein.

Wann empfiehlt es sich Typ A bzw. Typ B bei TRT einzusetzen?
Sinnvoll ist ein mehrmaliges Impfen gegen TRT, wobei sich der abwechselnde Einsatz von Typ A und Typ B-Stämmen bewährt hat. Normalerweise wird zunächst mit Terivac (Typ B mit schwachem Kreuzschutz zu Typ A) geimpft. Besteht in einer Region ein sehr hoher TRT-Typ-A-Infektionsdruck, so kann der Einsatz eines Typ A-Impfstoffs als erste Impfung sinnvoll sein. Im Nordwestdeutschen Raum treten sowohl Typ A als auch Typ B-Stämme auf. Im Süddeutschen Raum sind Typ B-Stämme weiter verbreitet.

Lassen sich noch weitere Impfstoffe per Spray in der Brüterei verabreichen?
Als Sprayimpfung kommt bei den derzeit zugelassenen Impfstoffen eigentlich nur eine TRT-Impfung in der Brüterei in Betracht. ND wird später geimpft.

Ist die ND-Impung mit der TRT-Impfung kombinierbar?
Eine Kombination von TRT- und ND-Impfungen ist nicht möglich, da zu belastend für die Tiere. Gängige Praxis ist es aber, dass die TRT-Impfung parallel zur injizierten ND-Impfung gesprüht wird.

Eine Impfung per Augentropf-Applikation (eye-drop) – wurde bis hierhin nicht angesprochen:
Eine Alternative zur Sprayapplikation ist die Applikation des Impfstoffs gegen TRT (oder ND) per Augentropfen. Hierzu muss jedes Tier einzeln in die Hand genommen werden, weshalb diese Applikationstechnik eigentlich nur in Kombination mit der Nadelimpfung im Stall durchgeführt wird. Der Vorteil ist, dass wirklich jedes Tier eine definierte Impfstoffdosis gut verträglich ins Auge verabreicht bekommt. Über den Tränen-Nasenkanal steht das Auge in Verbindung mit dem Atmungsapparat. Außerdem befindet sich hinter dem Auge des Vogels ein immunologisches Organ, die Hardersche Drüse.
Ein Nachteil ist natürlich der für die Durchführung notwendige Personalaufwand und die dadurch entstehenden Kosten.

In welchen Fällen wird die Injektion angewendet?
Aus aktuellem Anlass, Schmerzmittel für Küken die in Niedersachsen ausgeliefert werden.

Gibt es die Möglichkeit mit zwei Nadeln gleichzeitig zu arbeiten?
Grundsätzlich ist es möglich mit zwei Nadeln an zwei verschiedenen Injektionsstellen zu arbeiten. Aufgrund der geringen Größe eines Eintagskükens, als Injektionsstelle wird die Nackenhaut gewählt, kann es jedoch theoretisch zu einem Aufeinandertreffen von Impfstoff und Schmerzmittel unter der Haut kommen. Versuche hierzu laufen noch.

Lässt sich dieses Schmerzmittel mit anderen Impfstoffen kombinieren oder löst der Wirkstoff den anderen auf? (Verabreichung mehrerer Komponenten mit einer Injektion?).
Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es nicht möglich Schmerzmittel und Impfstoff in einer Mischspritze zu kombinieren. Arzneimittelrechtlich sind solche Mischspritzen nicht gestattet. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Schmerzmittel einen Impfstoff beschädigt bzw. einen Lebendimpfstoff abtötet (Nicht-steroidale Antiphlogistika wie z.B. Meloxicam sind schwache Säuren).

B)  Nach der Brüterei - Was passiert im Aufzuchtbetrieb?

Können alle Impfstoffe, die über Tränkwasser verabreicht werden, auch gesprüht werden?
Nein. Es können nur Impfstoffe gegen Atemwegserreger versprüht werden, da so der natürliche Infektionsweg einer Tröpfcheninfektion nachgeahmt wird. Dindoral zum Beispiel, der einzige in Deutschland zugelassene Impfstoff gegen die Hämorrhagische Enteritis (HE), muss oral von den Tieren aufgenommen werden.

Was muss beim Sprühen beachtet werden, um möglichst jedes Tier zu erreichen?
Nur Lebendimpfstoffe gegen Atemwegserreger können versprüht werden (verfügbar sind TRT, ND, E. coli) Es wird ein Grobspray angestrebt (80-150 Mikrometer), zu feine Tröpfchen können bis in die tiefen Atemwege gelangen, wodurch die Tiere stärker belastet würden. Zunächst muss die Impffähigkeit der Tiere durch den Tierarzt festgestellt werden. Dies ist nicht nur nach Tierimpfstoffverordnung vorgeschrieben, sondern es ist auch notwendig um die Gesundheit der Tiere nicht zu gefährden. Natürlich ist es wichtig, dass das Sprühgerät in einem hygienischen Zustand ist, jedoch keine Desinfektionsmittelreste vorhanden sind, die natürlich den Impfstoff abtöten würden. Chlorfreies Wasser, im Idealfall sterile physiologische Kochsalzlösung oder destilliertes Wasser, eignen sich als Medium zum Versprühen. Je nachdem welches Sprühgerät verwendet wird, kann es sinnvoll sein, den Stall bei der Impfung abzudunkeln, damit sich die Tiere nicht durch Weglaufen der Impfung entziehen (kann bei den ersten Impfungen der Fall sein).
Sind die Tiere etwas größer, wird ja bereits auch etwas mehr gelüftet. Es kann sinnvoll sein die Lüftung temporär zu reduzieren oder gar abzuschalten. Hier darf aber nicht vergessen werden, die Lüftung hinterher wieder zu aktivieren. Meist reicht es bei einem Klappenstall die Klappe auf der Windseite zuzufahren bzw. den First zuzufahren. Wie gesagt, es handelt sich um ein Grobspray, das wenig durch die Lüftung beeinflusst wird.

Bis zu welchem Alter empfiehlt es sich die Tiere zu besprühen, und bis zu welchem Alter ist es
praktisch umsetzbar?
Grundsätzlich ist es möglich, und es kann auch je nach Betrieb sinnvoll sein, bis ca. 4 Wochen vor Schlachtung Sprayimpfungen durchzuführen. Ist der Stall schon sehr voll, empfiehlt es sich die Fütterung und Tränken bei der Impfdurchführung hochzufahren, damit die Tiere nicht immer dagegen laufen

Auch hier nochmal die Frage zur Injektion, welche Stoffe sollten/ könnten injiziert werden bzw. wogegen wird geimpft? Zum Beispiel die ORT-Impfung, einmalig oder 2 malig verabreichen?
Weit verbreitet sind bestandsspezifische Impfungen v.a. gegen ORT. Zusätzlich kann gegen Bordetellen, Pasteurellen, Staphylokokken, E. coli und/oder Rotlauf als Kombinationsimpfstoff bestandsspezifisch geimpft werden. Auch gegen virale Erreger, wie vor einiger Zeit gegen niedrigpathogene Influenza H9N2, die in Niedersachen endemisch auftrat, kann bestandsspezifisch geimpft werden. Es handelt sich dann um einen Impfstoff, der mit in vorangegangenen Durchgängen nachgewiesenen Infektionserregern hergestellt wird, da für einige Erreger oder Erregerstämme keine Impfstoffe zugelassen sind. Die Erregerauswahl solcher bestandsspezifischer Impfstoffe muss regelmäßig aktualisiert werden. Der dann hergestellte Impfstoff ist ein Tot- oder Inaktivatimpfstoff, der somit nur per Injektion verabreicht werden kann. Bei der Pute wird der Impfstoff heutzutage i.d.R. in den Bürzel gespritzt, da die wertvolle Brust, anders als bei Junghennen/Legehennen natürlich nicht angetastet werden darf.

Meist wird aus Kostengründen nur eine Impfung durchgeführt, womit bereits ein gewisser Schutz erreicht wird (z.B. stellt man weniger Infektionsverläufe mit Verlagerung einer ORT-Infektion in die Gelenke fest). Für einen noch besseren Infektionsschutz muss zweimalig geimpft werden.

Dies wird dann entweder als Eintagsküken in der Brüterei und dann mit 5-6 Wochen oder aber mit 4-5 und 7 Wochen auf dem Bestand durch Impfkolonnen praktiziert. Das Alter von 7 Wochen stellt aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit die obere Altersgrenze für eine Nadelimpfung dar.

 

Sollte die Impfung vor oder nach dem Umstallen erfolgen?
Da beim 18-Wochen-Rhythmus meist mit 4-5 Wochen umgestallt wird, erfolgt die Nadelimpfung normalerweise im Maststall.

Wann sollte man besser auf eine Nadelimpfung verzichten?
Grundsätzlich gilt es abzuwägen, ob eine Nadelimpfung für den jeweiligen Betrieb sinnvoll ist. Wenn auf einem Standort nur ein sehr niedriger Infektionsdruck ist, muss man abwägen, ob der Auffand sinnvoll ist. Außerdem bedeutet eine Nadelimpfung im ersten Moment Stress für die Tiere.
Für andere Betriebe mit regelmäßig auftretenden Infektionserkrankungen kann eine bestandsspezifische Impfung sehr sinnvoll sein, insbesondere auch um antibiotische Behandlungen zu vermeiden.
Vor der Durchführung der Impfung ist es die Pflicht des bestandsbetreuenden Tierarztes die Impffähigkeit der Herde festzustellen und eine Vorprobe/Verträglichkeitsprobe des bestandsspezifischen Impfstoffs durch Impfung einiger Einzeltiere vorzunehmen. Ist eine Herde gerade akut erkrankt, muss die Impfung verschoben oder ggf. ganz abgesagt werden. Besonders gefährlich wäre die Durchführung der Impfung bei einer vorliegenden Nekrotisierenden Enteritis oder bei der Schwarzkopfkrankheit. In trotzdem geimpften Herden kann es in der Folge zu einer massiven Verschlechterung kommen.

Es gibt Versuche Herden gegen Clostridien zu impfen.
Wird das womöglich künftig eine größere Rolle spielen?
Nach bisherigen Erfahrungen funktionieren bestandsspezifische Impfungen gegen Clostridien nicht. Es sind nicht die Clostridien selbst, sondern deren Toxine, die die schädigende Wirkung der Darmwand hervorrufen können. Demzufolge müssten Toxoidimpfstoffe verwendet werden, was nach den Vorgaben der Tierimpfstoffverordnung nicht für bestandsspezifische Impfstoffe möglich ist.

Welche Körperteile eignen sich am besten für die Impfung?
Bei Eintagsküken wird die Impfung subkutan unter die Nackenhaut gespritzt. Hierfür werden Impfstoffe mit einem besonders gut verträglichen Hilfsstoff (Adjuvans) verwendet. Bei 4-7 Wochen alten Jungputen

wird hingegen intramuskulär in den Bürzel geimpft, da hier dem Impfstoff bereits ein stärkeres Adjuvans zugesetzt wurde, um eine bessere Immunantwort zu erreichen. Werden solche Impfstoffe unter die Nackenhaut gespritzt, können sich an der Injektionsstelle Abszesse bilden, was wiederum Halsverwürfe bei der Schlachtung zur Folge hätte. Außerdem ist bei der Injektion in den Nacken die Gefahr der Eigeninjektion für den Impfer sehr groß. Aus genannten Gründen werden Impfungen in den Nacken i.d.R. nur noch mit besonders verträglichen Adjuvantien bei Eintagsküken in der Brüterei durchgeführt.

Dies geschieht dort automatisiert in einem Impfkarussel. Die übliche Injektionsstelle für eine Nadelimpfung mit 4-7 Wochen ist die Bürzelmuskulatur. In die Flügelspannhaut werden nur Pockenimpfstoffe intrakutan verabreicht.
Gegen Pocken wird bei Legehennen und Putenelterntieren geimpft. In der Putenmast stellt diese Impfung eine Ausnahme dar.

 

Wie verhält es sich mit der Coli-Impfung?
Ist diese als Standardimpfung per Injektion denkbar?

Die bestandsspezifische Impfung gegen E. coli gehört bei der Pute nicht zum Standard.
Die reizenden Eigenschaften (Endotoxine) stellen eine Gefahr für Tier und Impfer dar und stehen in keinem Verhältnis zu dem meist nur mäßig positiven Resultat für den Infektionsschutz.

 

Welche Impfstoffe werden unter Umständen zeitnah für die Pute zugelassen oder entwickelt?
Seit einigen Jahren ist ein Impfstoff gegen die Schwarzkopfkrankheit (Histomonadose) in der Entwicklung.
Auf experimenteller Basis funktioniert dieser Impfstoff offensichtlich sehr gut. Probleme gibt es allerdings wohl noch bei der Zulassung, da für die Besiedlung des Darmes durch die Schwarzkopferreger-Impfstämme eine bestimmte Keimflora als „Amme“ benötigt wird. Derzeit scheitert wohl die Zulassung an der Zulassung diesser „Ammenflora“, da dieses Bakteriengemisch nicht eindeutig zu definieren ist, was aber für eine Zulassung in Deutschland notwendig wäre. Wie das Zulassungsverfahren letztlich enden wird, ist unklar.

Möglicherweise wird in den nächsten Jahren ein Impfstoff gegen Kokzidien in Europa zugelassen, wie es bereits gegen die Kokzidiose der Hühner der Fall ist. In den USA und Kanada gibt es solche Impfstoffe bereits. Für die europäische Zulassung ist jedoch eine Abschwächung der verwendeten Impfstämme notwendig, was in den USA und Kanada nicht der Fall ist.

Immer wieder werden neue Impfstoffe gegen ND von weiteren Herstellern auf den Markt gebracht, sodass hier mittlerweile auch schon eine gute Auswahl besteht.

Die Anwendung eines Impfstoffs gegen Geflügelpest ist in Deutschlandland nach Geflügelpestverordnung verboten. Länder, die gegen Geflügelpest impfen, unterliegen deutlichen Beschränkungen im internationalen Handel mit Geflügelfleisch. In Ländern des Nahen Ostens oder Südostasiens, in denen deutlich massivere endemische Probleme mit Geflügelpest bestehen, wird hingegen teilweise gegen Geflügelpest geimpft.

Gegen Niedrig-pathogene Influenzastämme, die nicht zu den Antigengruppen H5 oder H7 gehören, darf jedoch ein bestandsspezifischer Impfstoff hergestellt werden. Dies wurde z.B. in Niedersachsen eine Zeit lang im Falle von H9N2 gemacht, wodurch der Erreger erfolgreich verdrängt werden konnte.

Wie würde aktuell ein Standardimpfprogramm für einen Betrieb aussehen, der nicht „ vorbelastet“ ist und sich in gesunder Alleinlage befindet?
Ein wirkliches Standardimpfprogramm gibt es nicht, da jeder Betrieb, jede Region und jeder Tierarzt seine Besonderheiten haben!!

Die gängigen Impfungen können auf so einem Betrieb wie folgt durchgeführt werden.

TRT:
1. Terivac (in der Brüterei oder Tag 3 auf dem Betrieb (weniger belastend))
2. Poulvac TRT (Tag 14)
Dann im ca. 4-wöchigem Wechsel Typ A- und Typ B-Stämme. Insgesamt, je nach Infektionsdruck, werden die Tiere 1 bis 6x in ihrem Leben gegen TRT geimpft. Sprayimpfung schützt besser als Tränkwasserimpfung.

HE (Dindoral):
Laut Zulassung mit 28 bis 35 Tagen wegen der maternalen Antikörper.
Die Meisten impfen mittlerweile bei uns zwischen 21 und 28 Tagen, da nach neueren Untersuchungen die maternalen Antikörpertiter dann bereits abgefallen sind und der Impfstoff in dem Alter besser vertragen wird (z.B. weniger Kokzidenprobleme).

ND:
Vectormune in der Brüterei (teilweise noch 1x ND-Spray-Impfung zusätzlich mit ca. 10-12 Wochen)
Alternativ ND-Lebendimpfstoffe über Tränkwasser oder als Spray alle 4 Wochen, beginnend mit 3-5 Wochen. Sprayimpfung schützt besser als Tränkwasserimpfung

Bestandsspezifische Impfungen (ORT etc.)
Brüterei (Tag 0)
Mit 4-7 Wochen kann per Impfband auf dem Betrieb geimpft werden.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Kristian Düngelhoef und dem gesamten Team der
TIERARZTPRAXIS AN DER GÜTERSTRASSE für das freundliche Interview.

 

 

 

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